ZitatAlles anzeigenTierschutzverein will Anzeige erstatten
Zwei Seiten – zwei Standpunkte: Die Polizei habe sorgfältig abgewogen, bevor sie den Hund erschoss. Die Tierschützer dagegen sprechen von der „bestialischen Hinrichtung“ eines ausgerissenen Tieres.
Am Mittwochnachmittag vor einer Woche entwischt der achtjährige Mischlingshund durch die angelehnte Haustür. Erst einen Tag wohnt Fiodor, der aus einem Tierheim nahe Dresden kommt, bei der Familie. Die Besitzerin verständigt sofort die Polizei, das Ludwigsburger und das Dresdner Tierheim, den Hundesuchdienst und die anderen Hundebesitzer im Ort.
Immer wieder wird der mit Leine umherirrende Hund gesehen. Mal im Ortszentrum Asperg, mal in Ludwigsburg, mal dazwischen. Am Freitag rufen laut Polizei zwischen 9 Uhr und 11 Uhr rund 30 Autofahrer bei Polizei und Feuerwehr an und melden gefährliche Bremsmanöver wegen eines Hundes auf der A 81 zwischen Ludwigsburg-Süd und Zuffenhausen – Fiodor ist aus Sicht der Polizei „eine Gefahr für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer“.
Dann ruft eine Spaziergängerin Polizei und Tierheim an: Fiodor läuft in der Nähe des Möglinger Wasserturms, nahe der Autobahn. Als die Tierpflegerinnen Marina Procheiske und Saskia Reinhold am Wasserturm eintreffen, wird Fiodor schon von zwei Polizeibussen über Felder gejagt. Die Tierschützerinnen können sich, so Procheiske, dem Hund zweimal bis auf wenige Meter nähern, dann erschrecke ihn das zu laute Geschrei der Beamten – und er rennt wieder davon.
Gegen 10.30 Uhr kommt Tierpfleger Sven Anderson dazu. Seit einigen Minuten wird das Tier auch von einem schwarzen Audi gejagt. Darin sitzt ein Hundestaffelführer der Polizei. Die Szene spielt sich zwei Kilometer von der Autobahn entfernt ab.
Plötzlich feuert der Hundestaffelführer aus dem fahrenden Auto einen Schuss ab. Er hat Fiodor getroffen, der sich laut Tierpfleger-Trio sichtlich langsamer bewegt. Noch ein weiteres Mal schieße der Fahrer aus dem geöffneten Fenster, die Situation erinnert Andersen an eine „Treibjagd“. Wieder vier Schüsse. Der Hund liegt am Boden. Noch ein Schuss. „Das ist das Schlimmste, das ich erlebt habe, seit ich im Verein bin“, sagt Sven Andersen später. Marina Procheiske erlebt eine „bestialische Hinrichtung“.
Die Tierfreunde verstehen zwar, dass man den Hund aus Sicherheitsgründen hätte erschießen müssen, wenn er auf die Autobahn gerannt wäre – aber man befand sich erstens zwei Kilometer davon entfernt. Und zweitens: „Der erste Schuss hat Fiodor so verletzt, dass man jede Chance gehabt hätte, ihn bald einzufangen“, sagt Tierheimleiterin Ursula Gericke. Zumal Fiodors ehemaliger Pfleger aus dem Dresdner Tierheim auf dem Weg war. Und zumal man einen Tierarzt mit Betäubungsgewehr hätte rufen können – wie kürzlich bei einem in Erdmannhausen entlaufenen Hund.
Seit gestern liegt dem Tierschutzverein Ludwigsburg der Obduktionsbericht des Stuttgarter Veterinäramts vor. Ergebnis laut Tierheimleiterin Gericke: Der erste Schuss hätte keine Organe verletzt und ausgereicht. „Wir wollen keinen Krieg mit der Polizei anfangen“, sagt sie, „wir haben ja schon in vielen Fällen erfolgreich zusammengearbeitet.“
Man plane aber eine Anzeige gegen den Hundestaffelführer. Auch der Landestierschutzverband ist aufmerksam geworden und fordert nun „bessere Qualifikation bei Polizisten im Einsatz mit Tieren“.
Quelle: [URL=http://www.lkz.de/home/lokales/s…arid,36808.html]Ludwigsburger Kreiszeitung vom 18.02.2011[/URL]