Mainpost vom 22.7.2011:
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HASSFURT
Verdacht: Tierquälerei im Tierheim
Landratsamt lässt das Haßfurter Tierheim schließen – Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ehepaar SchindelmannDas Tierheim in Haßfurt muss schließen. Das Landratsamt Haßberge hat dem Tierschutzverein Haßfurt Stadt und Land sowie den Leitern der Einrichtung, dem Ehepaar Dieter und Heidi Schindelmann, die Betriebserlaubnis entzogen. „Mit sofortiger Wirkung“, wie es am Mittwoch in einer Pressemitteilung des Landratsamtes hieß.
Begründet wird dieser drastische Schritt damit, dass es dort seit mehreren Jahren „massive Mängel in der Tierhaltung“ gegeben habe. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Bamberg gegen die beiden Betreiber wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Dies erfuhr die Redaktion bei ihren Recherchen.
Zugleich kündigte der Landkreis Haßberge seinen bestehenden Vertrag mit dem Haßfurter Tierheim zur Unterbringung von Fundhunden und Fundkatzen. Diese Pflichtaufgabe der Kommunen übernahm vor Jahren der Landkreis, der hierfür mit dem Tierheim zusammenarbeitete. Insoweit ist der Landkreis Haßberge auf jeden Fall an einem Fortbestand des Tierheims interessiert, wie Landrat Rudolf Handwerker im Gespräch mit dieser Zeitung bestätigte – „nur mit einem anderen Träger“.
„Wir konnten nicht länger zusehen, dass im Haßfurter Tierheim Hunde und Katzen schlecht versorgt werden.“
Dr. Werner Hornung, Leiter des VeterinäramtsDas Veterinäramt, das innerhalb des Landratsamtes für die die Wahrung des Tierschutzes im Kreis verantwortlich zeichnet, hatte die Situation im Haßfurter Tierheim schon seit mehreren Jahren im Blick. Wiederholt wurde dabei festgestellt, dass die Tierheim-Leitung die Lage nicht im Griff hatte „und deswegen etliche Tiere während ihrer Unterbringung dort leiden mussten“, wie das Landratsamt mitteilt.
Der Leiter des Veterinäramts, Werner Hornung: „Wir konnten einfach nicht länger dabei zusehen, dass im Haßfurter Tierheim Hunde und Katzen schlecht versorgt wurden.“ Andernfalls hätte man sich des Vorwurfs von Untätigkeit im Amt ausgesetzt. Da Dieter und Heidi Schindelmann in der Vergangenheit unbestreitbar sehr viel für den Tierschutz im Landkreis getan hätten, meinte Veterinäramtsleiter Hornung, bedauere er diese Entwicklung „aufs Tiefste“.
Bereits am 29. Juni erstattete das Landratsamt Haßberge offiziell Anzeige wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in 17 Fällen (15 Katzen, zwei Hunde). Dies erklärte am Mittwoch der Leitende Oberstaatsanwalt in Bamberg, Bardo Backert, auf Nachfrage dieser Zeitung. Die Ermittlungen der Polizei Haßfurt gegen das Betreiber-Ehepaar liefen noch. Die beiden Beschuldigten würden in den kommenden Tagen vernommen. Die Tatvorwürfe sind nach Aussage des Leitenden Oberstaatsanwalt Backert „nicht besonders gravierend“.
Wolfgang Friedel aus Hammelburg, der Regionalbeauftragte des Landesverbands Bayern im Deutschen Tierschutzbund, weiß von einem Hund mit Geschwüren, der im Haßfurter Tierheim nicht ordentlich behandelt wurde. Ebenso erging es weiteren Tieren. Auch hätte es vorgeschriebene Impfungen nicht gegeben. „So etwas darf in einem ordentlichen Tierheim aber nicht passieren“, betont Friedel. Er wirft den Betreibern in Haßfurt auch vor, etliche Vorschläge zur Verbesserung der baulichen Situation einfach in den Wind geschlagen zu haben. Am Ende war das Tierheim nur noch ein „Zwei-Mann-Betrieb“. Der Betrieb sei der Tierheimleitung „über den Kopf gewachsen“.
Zuletzt waren im Haßfurter Tierheim nur noch wenige Tiere untergebracht. Laut Friedel musste jetzt nur noch für fünf Hunde und sechs Katzen eine neue Bleibe gefunden werden – in Spitzenzeiten waren im Tierheim bis zu 50 Hunde und ebenso viele Katzen. Die übriggebliebenen Tiere kämen in Tierheimen und -pensionen in den Nachbarlandkreisen Schweinfurt und Bad Kissingen sowie in Würzburg unter, erklärte Landrat Handwerker. Zudem hat die Tierschutzinitiative Haßberge Unterstützung angeboten bei der vorläufigen Aufnahme von Fundtieren.
Das Tierheim ist deswegen fast leer, weil wegen der bekannten desolaten Zustände das Veterinäramt in Haßfurt bereits in den zurückliegenden Monaten verstärkt Fundtiere außerhalb des Haßbergkreises untergebracht hatte.
Der Betrieb im Haßfurter Tierheim soll weitergehen. Dies wünscht sich auch Haßfurts Bürgermeister Rudi Eck. Die Stadt hat das Gelände, auf dem das Tierheim steht, an den Tierschutzverein Haßfurt verpachtet. Doch mit dem Verein will die Stadt nichts mehr zu tun haben. „Der Pachtvertrag wird in Kürze gekündigt“, erklärte Eck am Mittwoch unmissverständlich.
Der Kreistag hatte erst im November 2010 die Umlage pro Kreisbürger, die ans Tierheim fließt, von 0,25 auf 0,40 Euro erhöht. Zudem wurde damals beschlossen, zur baulichen Erweiterung 30 000 Euro zu zahlen. Die gleiche Summe wollte die Stadt Haßfurt geben, je 10 000 Euro sollten vom Tierschutzverein und durch eine Spendenaktion kommen. An den Plänen zur Erweiterung hält der Landkreis fest, bestätigte Landrat Handwerker.
Bleibt die Frage, wer das Tierheim künftig betreibt. Der Tierschutzverein dürfte in bisheriger Form ausscheiden. Wolfgang Friedel in Vertretung des Deutschen Tierschutzbundes kann sich vorstellen, dass verbleibende Mitglieder des Tierschutzvereins Haßfurt Stadt und Land die Aufgabe zusammen mit der Tierschutzinitiative Haßberge stemmen.
Deren Vorsitzende Britta Merkel ist der Gedanke einer solchen Kooperation „ganz neu“. Denn in der Vergangenheit hat es mehrmals Querelen zwischen dem Tierheim und der Tierschutzinitiative gegeben; auch die Aufnahme in den Tierschutzbund wurde der Initiative verwehrt. Dennoch wäre es denkbar, so Merkel, dass die Tierschutzinitiative das Tierheim übernimmt – aber unter ihrem Namen. Noch sind das jedoch nicht mehr als Gedankenspiele.
Das bisherige Betreiberpaar des Tierheims, Dieter und Heidi Schindelmann, zeigten sich am Mittwoch vom Entzug der Betriebserlaubnis völlig überrascht. Zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen und zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wollten sie keine Stellung nehmen.
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