- Offizieller Beitrag
ZitatAlles anzeigenPressemitteilung 20.1.2011 - Eilmeldung
Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die Bundesrepublik Deutschland
Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft gegen den Willen des Grundstückseigentümers verstößt gegen Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat heute, am 20.1.2011, erneut ein Urteil gegen die Bundesrepublik Deutschland gefällt: Die Zwangsmitgliedschaft in einer deutschen Jagdgenossenschaft verstößt gegen die Menschenrechte. Dies bedeutet: Jäger dürfen auf Privatgrundstücken nicht mehr länger gegen den Willen der Eigentümer die Jagd ausüben.
Rechtsanwalt Günter Herrmann aus Stutensee/Baden-Württemberg ist Eigentümer zweier Waldgrundstücke in Rheinland-Pfalz. Dadurch ist er automatisch Mitglied in einer Jagdgenossenschaft – gegen seinen Willen und ohne Möglichkeit, aus der Jagdgenossenschaft auszutreten. Hiergegen hat er vor den deutschen Verwaltungsgerichten und vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglos geklagt, so dass er im Jahr 2007 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrief. Denn der Tier- und Naturschützer kann es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, dass Jäger sein Grundstück gegen seinen Willen betreten, um dort Tiere tot zu schießen. In seiner Beschwerde rügte er die Verletzung der in der Menschenrechtskonvention garantierten Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Artikel 11 (Vereinigungsfreiheit), Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) und des Artikel 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 (Schutz des Eigentums).
Bedeutender Sieg für den Tier- und Naturschutz
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab dem Beschwerdeführer heute Recht. Mit diesem Sieg vor dem höchsten europäischen Gericht ist ein großes Ziel für den Natur- und Tierschutz in Erfüllung gegangen. Endlich kann für Wildtiere Raum geschaffen werden, in dem sie nicht bejagt werden dürfen. Denn Grundstückseigentümer, die nicht wollen, dass auf ihren Grund und Boden gejagt wird, können jetzt aus der menschenrechtswidrigen Jagdgenossenschaft austreten.
Bürgerbewegung „Zwangsbejagung ade"
In den letzten Jahren hat sich eine Bürgerbewegung „Zwangsbejagung ade" formiert. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger klagen vor deutschen Gerichten gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft. Diese Verfahren wurden mit Blick auf den beim Europäischen Gerichtshof anhängigen und heute entschiedenen Rechtsstreit ausgesetzt. „Durch diesen grandiosen Sieg in Straßburg beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden meine Mandanten nun auch vor den deutschen Gerichten mit ihrem Begehren gewinnen. Es bleibt somit jedem einzelnen Grundstückseigentümer selbst überlassen, ob er Mitglied in einer Jagdgenossenschaft sein möchte. Damit wird das Eigentumsrecht gestärkt und der Gewissensentscheidung von Grundstückseigentümern endlich auch in Deutschland Rechnung getragen", so Rechtsanwalt Dominik Storr, der mehrere Grundstückseigentümer rechtlich vertritt. „So viele Menschen haben sich jahrelang gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft eingesetzt – und nun können sie endlich die Früchte ihres Engagements ernten."
Nun formiert sich eine regelrechte Woge für eine Natur ohne Jagd: Auf dem Internetportal http://www.zwangsbejagung-ade.de haben viele weitere Grundstückseigentümer Solidaritäts- und Absichtserklärungen abgegeben. Auch sie werden nun ihren Austritt aus der Jagdgenossenschaft erklären: „Keine Jagd auf meinem Grundstück!"
---------------------------------------------------------------------------
Hintergrund:
Europäischer Gerichtshof urteilte bereits 1999 im Falle Frankreichs und 2007 im Falle Luxemburgs gegen Zwangsbejagung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits 1999 im Fall einer Klage gegen Frankreich und 2007 im Fall einer Klage gegen Luxemburg entschieden, dass die zwangsweise Mitgliedschaft von Grundstückseigentümern in Jagdgenossenschaften gegen die Menschenrechte verstößt.
Doch die deutschen Gerichte - bis hoch zum Bundesverfassungsgericht - hielten es weiterhin für gerechtfertigt, wenn Grundstückseigentümer ohne Wahlrecht durch den Gesetzgeber gezwungen werden, einer Vereinigung beizutreten, welche das Jagdausübungsrecht an einen Dritten (Jagdpächter) überträgt. Ein Grundstückseigentümer konnte somit nicht verhindern, dass auf seinem eigenen Grund und Boden Hochsitze aufgestellt und Wildtiere abgeschossen wurden.
Nach dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Bundesrepublik Deutschland ist das Zwangssystem der gemeinschaftlichen Jagdreviere jedoch nicht mehr länger haltbar.
„Keine Jagd auf meinem Grundstück" - Ein langer Weg durch die Instanzen
Bereits im Frühjahr 2003 stellte Rechtsanwalt Günter Herrmann einen Antrag auf Austritt aus der Jagdgenossenschaft. Der Grundstückseigentümer wollte nicht länger dulden, dass sein Grund und Boden gegen seinen Willen bejagt wird. Die zuständige Kreisverwaltung Trier-Saarburg lehnte den Antrag auf Austritt aus der Jagdgenossenschaft am 2.6.2003 ab. Diese ablehnende Entscheidung wurde von dem Verwaltungsgericht Trier mit Urteil vom 14.01.2004 bestätigt. Der unfreiwillige Jagdgenosse legte daraufhin Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ein und verlor am 13.07.2004 auch dort. Diese ablehnende Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht am 14.04.2005. Das Bundesverfassungsgericht nahm die daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an und begründete dies im Wesentlichen so wie die Gerichte zuvor. Daraufhin legte der Grundstückseigentümer im April 2007 Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Im Frühjahr 2010 nahm der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beschwerde des unfreiwilligen Jagdgenossen aus Deutschland an.
Am 20.01.2011 war es nun endlich soweit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte veröffentlichte seine Entscheidung (Herrmann v. Germany - no. 9300/07) und gab der Beschwerde statt.
Neustadt, den 20.01.2011
Das ist doch mal eine erfreuliche Meldung!
Viele Grüße,
Monika